Hannelore Furch
Gedichte, Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen, Fachliteratur

Flüchtlingsgedichte


Heimatlos

Eines Tages ging ich
durch ein Tor einfach fort
in die rettende Welt meiner Träume,
und die Welt empfing mich
hell im Sonnenschein dort,
und es glänzten und blühten die Bäume.

Doch die Blüten hingen
spitz als Eiszapfen dran,
helle Sonne als Blendung dahinter,
hoch von oben fingen
laut Beschimpfungen an,
und es blitzte im frostigen Winter.

Wieder heimwärts trieb's mich
jetzt zurück durch das Tor,
wieder glänzten und blühten die Bäume,
doch Soldaten sah ich
und sie stürmten hervor
und zerschossen mir Blüten und Träume.



 

Heimatlos. Gedicht und Illustration von Hannelore Furch.


Die Hälfte des Lebens

Die Reisen der Flüchtlinge
gehen heute Richtung Nordwest.
Zurück lassen sie ihr halbes Leben
und rennen blind in die Schwerter
der Samariterwelt.

Mit den Wolken, die niemand aufhält,
überschreiten die Himmelsstürmer unter ihnen
die Grenze zur unendlichen Freiheit
und stehen bald rat- und hilflos
vor einer zerschossenen Wolkengabelung.

Dort stehen sie noch heute und warten
auf den Bau einer Umgehungsstraße
in die unendliche Freiheit,
für die Hälfte des Lebens,
die sie noch haben.




Zwei Gesichter der Nacht

Die Tage stellten sich auf in Schlachtordnung,
Flüchtlinge kämpften gegen sie und überlebten,
weil die Nächte ihnen die Wunden versorgten.

Den Flüchtlingen half es nicht wirklich,
denn die Nächte dienten auch den Tagen
- zur Mobilmachung.

Zwei Gesichter der Nacht. Gedicht und Illustration von Hannelore Furch.